Liviu Cornea spricht beim SPD-Ortsverein
Von: Sandy Bradtke, Weser Kurier
Mitglieder des Ortsvereins Schwachhausen Süd-Ost der SPD haben über die Beschneidung Minderjähriger in Deutschland diskutiert. Zu Gast war der Kriminalpolizist Liviu Cornea. Als Mitglied der jüdischen Gemeinde hat er selbst Erfahrungen mit dem religiösen Ritual gemacht.
Schwachhausen. Die Beschneidung von Minderjährigen war das zentrale Thema einer Podiumsdiskussion im Treffpunkt Arche. Die Mitglieder des Ortsvereins Schwachhausen Süd-Ost der SPD hatten sich als Gast den Kriminalpolizisten Liviu Cornea eingeladen. Er hat als Mitglied der jüdischen Gemeinde mit dem religiösen Ritual selbst Erfahrungen gemacht.
Im Judentum werden Kinder männlichen Geschlechts innerhalb der ersten acht Lebenstage beschnitten – ohne dass es dafür eine medizinische Notwendigkeit gibt. Die Beschneidung soll an den heiligen Bund, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen hat, erinnern. Durch diesen Brauch wird das Kind in die religiöse Gemeinschaft aufgenommen. Auch im Islam werden Jungen beschnitten, um die religiöse Zugehörigkeit auszudrücken.
Liviu Cornea wurde in Rumänien geboren. Acht Tage nach seiner Geburt ist er beschnitten worden. „Das war für mich immer eine Selbstverständlichkeit, dass das so gemacht wird“, erinnerte sich der 62-Jährige. Erst als sein erstes Kind unterwegs gewesen sei, habe er angefangen, sich bewusst mit dem religiösen Ritual der Beschneidung auseinander zu setzen. „Ich bin froh, dass dieses Thema jetzt diskutiert wird“, sagte Cornea mit Blick auf den Gesetzesentwurf, wonach die Beschneidung straffrei bleiben soll, wenn sie medizinisch fachgerecht durchgeführt wird und die Eltern zustimmen. Es werde Zeit, dass eine rechtliche Regelung gefunden werde, sagte er.
Während für die Beschneidung bei Minderjährigen in Deutschland erst jetzt rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, gelten im Ausland bereits klare Gesetze: In den Niederlanden und Schweden dürfen Beschneidungen nur unter Betäubung und von qualifizierten Ärzten durchgeführt werden.
Jahrtausend alte Tradition
„Das ist eine Jahrtausend alte Tradition“, sagte Cornea. „Die Menschen werden ihr Denken darüber nicht von heute auf morgen ändern können.“ Reformation habe bei den Juden bereits in anderen Bereichen stattgefunden, fuhr Cornea fort: „Damit möchte ich sagen, dass wir alle lernfähig sind. Nur man muss uns auch die Chance dazu geben.“ Beim Thema Beschneidung gibt es Kritiker und Befürworter unter Juristen, Ärzten, Religionswissenschaftlern und Religionsvertretern, wie die aktuelle Debatte in der Gesellschaft zeigt. Das Recht des Kindes auf Teilhabe an der religiösen Gemeinschaft sowie das Recht auf Unversehrtheit stehen sich gegenüber.
Hinweise, dass die Beschneidung aus hygienischen oder präventiven Gründen nützlich oder notwendig ist, sind umstritten. Das bedeutet, dass Schaden und Nutzen der Operation bisher nicht eindeutig belegt werden konnten, hieß es.
Nach der Ansicht von Cornea erfüllt die Beschneidung den Tatbestand der schweren Körperverletzung: „Ein Teil des Körpers wird entfernt. Und es geht auch darum, dass bei dem Eingriff etwas schief gehen kann.“
Die Beschneidung sei jedoch auch ein Bestandteil der Religion und der Religionsausübung, stellte der Kriminalbeamte fest. „Wir müssen uns jetzt langsam einmal die Frage stellen, ob wir 3000 Jahre lang das Richtige getan haben“, gab Liviu Cornea sich nachdenklich.
Quelle: Weser Kurier, Stadtteilausgabe, Oktober 2012