Themenabend Beschneidung

Themenabend Beschneidung (Zirkumzision)

Beschneidung Minderjähriger ist in Deutschland bisher nicht gesetzlich geregelt. Kritiker und Befürworter, darunter Juristen, Ärzte, Religionswissenschaftler, Religionsvertreter streiten schon lange über Beschneidung Minderjähriger. Erst das Kölner Urteil bringt das Problem in die breite Öffentlichkeit.

Urteil Landgericht Köln vom 7.5.2012 (Berufungsinstanz)

„Die Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen männlichen Kleinkindes erfüllt den Tatbestand des § 223 I StGB“. (Körperverletzung)

Sachverhalt: Arzt beschnitt auf Verlangen muslimischer Eltern den 4-jährigen Sohn, Mutter brachte Kind wegen Nachblutungen am nächsten Tag in die Klinik, Klinik informierte Polizei wegen Verdacht auf nicht fachgerechter Beschneidung. Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Arzt wurde freigesprochen.

Meinung 1 zum Urteil

Urteil ist schwerster Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust.

Oberrabbiner Yona Metzger: Es gilt nur das jüdische Recht. Beschneidungen sind ohne lokale oder totale Betäubung des Neugeborenen vorzunehmen. Lediglich ein Tropfen süßer Wein sei zulässig, um das Kind zu beruhigen (Süddeutsche.de, 21.9.2012).

Meinung 2 zum Urteil

Urteil stellt „eklatanten und unzlässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und in das Elternrecht dar.“ (Zentralrat der Muslime, www.zentralrat.de).

Was ist die Beschneidung

Teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut (Schutz von Eichel/Klitoris) oder nur des Vorhautbändchens. Krankenkassen tragen die Kosten der B. nicht, wenn nicht medizinisch indiziert.

Methode

Mit oder ohne Narkose Abtrennen der Vorhaut durch Schneidering, Skalpell oder Messer.

Befürworter der Beschneidung

Aus Tradition der Religion. Bessere Hygiene. Medizin: erforderlich bei schwerer Fehlentwicklung der Vorhaut (z.B. Phimose). WHO empfiehlt Beschneidung gegen Ausbreitung von AIDS (umstritten).

Gegner der Beschneidung

Studien belegen: bis zum 16.Lebensjahr ist bei 80-90% der Jungen die Vorhaut normal entwickelt. Betroffener muss selbst entscheiden können, nicht Eltern oder Religionstradition. Hygieneeffekte der B. überwiegen nicht die negativen Folgen.

Beschneidungsfolgen aus medizinischer und psychologischer Sicht

Entzündungen, knorpelige Narbenbildung. Einblutung, Harnröhrenverengung, Totalverlust des Penis, Tod.
(Fehlende) Vorhaut spielt Rolle bei Sexualität (positiv-negativ, je nach Studie) und Hygiene. Fachlich nicht qualifizierte Beschneider schaden dem Kind.

Rituelle Vorhautentfernung kann bei Säuglingen das Gehirn verändern und zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses führen, Entzündungen nach Eingriff können Langzeitfolgen haben. Generelle Betäubung hilft nicht, Nervenbahnen zum Hirn werden von Anästesisten zu 90\% nicht erfolgreich getroffen (Boris Zernikow, Leiter Dt. Kinderschmerzzentrum). Vermindertes Selbstvertrauen im Alter. Psychische Störungen.

Ursprung: Brauchtum – Initiationsritus – Religionsausübung

Ursprünglich Kastration der Feinde, im Altertum Kontrolle der Sexualität der Sklaven (m/w), ohne sie unfruchtbar zu machen. Ägypten (3.Jt.v.u.Z.): Schlangenhäutung führt zur Unsterblichkeit, deshalb Beschneidung (Vermutung der Historiker).

Stammvater der Israeliten Abraham (1600 v.u.Z., AT) oder Mose (1400 v.u.Z.) führten erste Beschneidungen durch. Judentum: Eintritt in den Bund mit Gott durch B. Juden beschneiden 8 Tage nach der Geburt (brit mila).

Muslime sehen in der B. Bekenntnis zum Islam. Mohammed soll kurze oder keine Vorhaut gehabt haben. Propheten wurden ohne Vorhaut geboren, also sei dem P. ähnlich (rein). B. nicht im Koran erwähnt, gleichwohl Pflicht. Muslime beschneiden im Kindesalter.

Christen lehnten seit Jesus und Paulus die Beschneidung ab (Beschneidung Gottes Wille? Oder Bevormundung?). Beschneidung führt nicht zum Bund mit Gott, nur Glaube ist maßgebend. Alternative Religion zum Judentum entsteht.

Bei Naturreligionen /-völkern sind auch heute noch Beschneidungen Teil der Initiationsriten.

Kindeswohl/Recht auf Körperliche Unversehrtheit vs. Elternrecht auf Religionsfreiheit

These

Beschneidung bei Säuglingen ist ungerechtfertigt (strafbar), da medizinischer Nutzen fehlt, aber Schaden drohen kann. Patienten müssen einwilligen können (mündig sein). Vergleich mit Schönheits-OP bei Kindern (Ohrlochstechen)?

These

Weil die Beschneidung ein Jahrtausende altes Ritual ist, ist sie Bestandteil der Religion, der Religionsausübung und damit geschütztes Rechtsgut und damit Elternrecht?

Lösung?

Antrag der Fraktionen im Bundestag CDU/CSU, SPD, FDP vom 19.7.2012 auf Vorlage Gesetzentwurf zur Sicherstellung, „dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist“.

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