Ende April 2015 war es wieder soweit: mehr als 550 Sozialdemokraten aus ganz Deutschland trafen sich zu einem einwöchigen Frühlingstreffen nahe Heraklion auf Kreta, um nicht nur eine interessante und lehrreiche touristische Woche mit Freundinnen und Freunden sowie Genossinnen und Genossen zu verbringen und zu feiern, sondern gleichzeitig auch die Alltagsprobleme eines eng mit uns verbundenen Landes noch näher kennen zulernen.
Zum touristischen Pflichtprogramm zählten natürlich die Besichtigung der Ausgrabungen des Palastes von Knossos und einiger noch aktiver Klöster sowie die Besuche wichtiger Orte der kretischen Geschichte wie zum Beispiel das Freiheitssymbol Kloster Arkadi. Und wenn man dann unterwegs ist, darf man auf keinen Fall die eindrucksvollen Städte Chania, Rethymnon und auch Agios Nicolaos vergessen. Auch die Südküste mit der ehemaligen „Hippiehochburg“ Mátala sowie die Insel Spinalonga, bis 1957 die einzige europäische Leprakolonie, dürfen im Programm nicht fehlen.
Politische Höhepunkte waren ein Treffen mit Genossen unserer Schwesterpartei PASOK, darunter neben den örtlichen Vertretern der Partei auch ein Mitglied des Parteivorstands, die die die eigene kritische Beteiligung an der Entwicklung der „griechischen Staatskrise“ erläuterten und ausführten, dass zu einem im Mai 2015 bevorstehenden Parteitag der PASOK an einem deutliche modernisierten Programm für die Partei gearbeitet wird. Man hat erkannt, wie weit man sich inzwischen von den eigenen Wählern in den fast 40 Jahren nach der Beendigung der griechischen Militärdiktatur entfernt hat.
Allerdings wurden von den griechischen Genossinnen und Genossen auch die Defizite in den publizistischen Darstellungen insbesondere in Nordeuropa beanstandet, die nicht von sehr viel Verständnis für die Gesamtsituation zeugen. Natürlich gab es aus den Reihen der rund 300 anwesenden deutschen Genossinnen und Genossen von der SPD anschließend eine lebhafte Diskussion zum Thema.
Eine weitere Veranstaltung fand in einem für die mehr als 550 Teilnehmer angemieteten Kino in Heraklion statt. Neben einer Ansprache von Dieter Lasse vom organisierenden SPD-ReiseService gab es auch eine mit Details versehene Begrüßung durch den amtierenden Gouverneur (ähnlich einem Ministerpräsidenten in Deutschland) der Insel Kreta, Stavros Arnaoutakis (PASOK). Auch Stavros Arnaoutakis bezeichnete es als ein starkes Signal der deutschen Sozialdemokratie, dass sie ihr Treffen mit so vielen deutschen Genossinnen und Genossen in Griechenland, und insbesondere auf Kreta, durchführen. Zu diesem Thema fand auch eine vom kretischen Fernsehen aufgezeichnete Pressekonferenz zusammen mit dem ebenfalls anwesenden Hauptreferenten der Veranstaltung, Matthias Platzeck, statt.
Genosse Michael Platzek, langjähriger Ministerpräsident a.D. aus Brandenburg und auch ehemaliger Vorsitzender der SPD, ging auch auf die gegenwärtige Situation in Griechenland und die Spaltungstendenzen und –gefährdungen in Europa ein. Sein Hauptthema als Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums war aber das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Neben seinem Lob für die unübersehbaren Bemühungen unseres Außenministers Frank-Walter Steinmeier und auch für den gleichgerichteten Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte er in erster Linie die vorwiegend negativ ausgerichtete Linie der „veröffentlichten“ Meinung im Visier.
Insbesondere die terminologische Einordnung von verschiedenen Politikern in „Russland- und Putin-Versteher“ stört ihn offensichtlich am meisten. Nach seinen ganz persönlichen Erfahrungen als Nachbar von vielen russischen Familien im Potsdam zu Zeiten der DDR weiß er sehr wohl die unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen und Ansichten russischer Bürger einzuordnen und anders zu bewerten als diejenigen deutschen Bürger, die deutlich anders sozialisiert wurden. Er betrachtet es in keiner Weise als einen Widerspruch, wenn er trotz seiner anderen politischen Ansichten auf der einen Seite immer wieder versucht, Entscheidungen und Einstellungen aus Russland oder des russischen Präsidenten Putin rational aus der russischen Sicht heraus zumindest zu verstehen.
Was nicht mit Akzeptanz verwechselt werden kann! Hierbei muss auf jeden Fall immer wieder berücksichtigt werden, dass es bis 1990 nie staatliches demokratisches Handeln im Sinne einer parlamentarischen Demokratie gegeben hat und das daher eine Zivilgesellschaft – deren Begrifflichkeit es in Russland nicht einmal gäbe – wie in den westlichen Demokratien nicht vorhanden ist. Auch hier ergab sich zum Abschluss dieser zweistündigen Veranstaltung wieder die viel genutzte Gelegenheit, in eine direkte Diskussion mit Matthias Platzeck einzutreten. Auch dieses Treffen wurde zum Abschluss mit heftigem Applaus bedacht.
Alles in allem war es wieder einmal eine gelungene Unternehmung des SPD-ReiseService, die mit einer perfekten Organisation, auch in logistischer Hinsicht, Eindruck machen konnte. Das nächste Treffen für das Frühjahr 2016 ist bereits in Vorbereitung, wobei das Ziel noch nicht endgültig feststeht. Aber Björn Kufahl vom SPD-ReiseService ließ schon einmal durchblicken, dass es in der Nähe von Split durchaus eindrucksvolle Wasserfälle zu besichtigen gibt. Aber auch andere Plätze kämen durchaus noch in Frage!
Uwe Warnken, 27.April 2015